Die Architekturbilder machen den Löwenanteil in Walthers Schaffen aus.
Sie sind es vor allen anderen Werken, die seinen Nachruhm sichern.
Worin er sich in Leipzig geübt, in Paris, Florenz und Amsterdam
vervollkommnet hatte, das sollte ein Leben lang neben dem Porträt
seine Hauptaufgabe sein. Der Kunstkritiker Reinhard Müller-Mehlis hat
in einer Ausstellungseröffnung einmal von „einem Kompendium des
alten Deutschland“ gesprochen, welches Walther bis 1944 angelegt habe.
In der Tat weist die Liste der bereisten und wohlproportioniert ins Bild
gerückten Städte eine schier unglaubliche Länge auf. Ob Altenburg, Berlin,
Braunschweig, Crossen, München, Venedig oder Zürich – immer wieder schuf
Walther zum Teil großformatige Ansichten, die nicht alleine das Einzigartige
der jeweiligen Bausubstanz, sondern gleichermaßen das Flair der jeweiligen Stadt spiegeln.
Viele der vor den verheerenden Zerstörungen des Zweiten
Weltkrieges gemalten Bilder wurden zu Dokumenten,
zu einem Kaleidoskop deutschen Städtebaus.
Wie erreichte Karl Walther die exakt wirkende Erscheinung
seiner Stadtansichten, die Max Liebermann zu seinem Wort
vom „linearen Impressionismus“ anregte? – In einigen Fällen
bediente er sich des durchaus legitimen Hilfsmittels der
Fotographie, um die stetig sich wandelnde Lichtsituation
zu überlisten; meist jedoch verhalf ihm sein einzigartig
veranlagtes malerisches Auge, die Aufgabe zu bewältigen.
Der Maler Roman Hippeli erinnert sich an Walthers Vorgehen
bei Städtebildern: „Zunächst hat er nur senkrechte Striche
gemacht, etwa drei Stunden lang. Damit hat er die Abstände
fixiert. Und dann kamen die Horizontalen und Vertikalen,
schließlich die Farbe.“ Zwei bis dreimal kehrte der Künstler
an seinen Standort zurück, um jeweils den gleichen Lichtfall
vorzufinden. Zahllose Pressefotos und sogar ein „Bavaria“ –
Film zeigen, wie er in aller Öffentlichkeit, „vor Ort“ und eben
nicht im Atelier seine Stadtansichten schuf.
Anders alle viele seiner Vorläufer stellte Walther eine Städte
nicht in einer idealistischen Form, in einem zeitlosen Zustand dar.
Zu sehr war er der Realität verpflichtet, als dass er im wahrsten
Sinne des Wortes "schönes Wetter gemacht" hätte. Wenn ein Schneeschauer
durch die Straße pfiff, so wird er auch auf der Leinwand wiedergegeben.
Gleiches gilt auch für Dinge, die mancher schlichtweg ignoriert hätte,
weil sie ihm kaum darstellungswürdig erschienen. Anders Walther:
Wenn neben einer Rokokofassade ein belangloses Häuschen steht,
und sei es architekturhistorisch noch so unbedeutend, ja sogar störend
- in seinem Bild scheint es auf.
Karl Walther, der wie unzählige seiner
Kolleginnen und Kollegen niemals den falschen Ehrgeiz entwickelte,
in Konkurrenz zur Fotographie zu treten, belegt mit seinen Gemälden,
dass Malerei die Dinge, den Charakter eines Menschen, einer Landschaft
oder einer Stadt intensiver zu erfassen vermag als dies das Objektiv
einer Kamera zu leisten imstande ist.