Max J. Friedländer, den Walther sehr verehrte, hat in deinen
„Essays über die Landschaftsmalerei und andere Bildgattungen“
(Den Haag 1947) eine knappe Definition jenes Genres geliefert:“
Das Land ist die Erdoberfläche oder ein Teil der Erdoberfläche,
Landschaften Dagegen das Gesicht des Landes, das Land in seiner
Wirkung auf uns. ... Landschaft ist Erscheinung. Während der Maler
wähnt, was zu sehen ist, sein „schön“, sieht er nur, was seinem
Schönheitssinn entspricht.“
Walthers Schönheitssinn wurde früh geweckt. Mögen die Vororte
Leipzigs, die Straßenzüge, die Umgebung auch nicht jedermann
attraktiv erscheinen - für den Maler waren sie es, sie erschienen
ihm schön im Sinne von reizvoll und darstellungswürdig.
Ihn interessierte weniger das genaue Aussehender Gegend, sondern
vorrangig das Spiel von Licht und Farben, das Atmosphärische, das
einzufangen Ziel eines jeden Impressionisten war.
Reine, unberührte Landschaften kommen bei Walther nicht vor.
Immer trifft man auf Spuren menschlichen Tuns, gelegentlich auf
den Menschen selbst. Häufig schweift der Blick aus einem Dorf
hinaus ins Umfeld, umgekehrt sieht man Ortschaften um Hintergrund.
Eine Holzhütte, ein Zaun, eine Brücke können als „Staffage“ in die
Landschaft integriert sein, und selbst die Wälder zeigen mit ihren
Wegen indirekt die Präsenz des Menschen.
Walther war von ganzem Herzen Freilichtmaler. Bei jedem Wetter zog
es ihn hinaus. Im Winter stand er dick vermummt, mit riesigen
Filzstiefeln und fingerlosen Handschuhen angetan in der Natur oder der Stadt.
Eine „Schneelandschaft im Erzgebirge“ Tafel 101, die
Münchner „Propyläen“ oder die Würzburger Domstraße Tafel
53 zeigen unter grau verhangenem Wolkenhimmel die trübe
Stimmung der kalten Jahreszeit. Im Frühling schien der
Künstler regelrecht aufzublühen: Lindengrüne, fast
gelbgrüne Töne des frischen Laubes und der knospenden
Blüten brechen sich unter dem zartenblauen Firmament Bahn.
Besonders gut ist der Lenz in der Bildreihe aus Florenz oder
in der Ansicht des Hafens von Malcesine Tafel 63 auf die Leinwand gebannt.
Die unmittelbare Begegnung mit der Landschaft führt zu immer
neuer Inspiration. Mit aufgelockerten Pinselduktus näherte er
sich den stetig wandelnden Erscheinungen der Landschaft. Hier
konnte er sich besonders aus seine große Lehrmeisterin, die Natur, berufen.
Mit besonderer Leidenschaft widmete sich Walther einer
Spezialdisziplin der Landschaftsmalerei, der Darstellung
von Waldinterieurs. Sie machen nahezu ein Viertel seines
gesamten Schaffens aus. Immer wieder, zu jeder Jahreszeit
und bei jedem Wind und Wetter, zog es ihn mit Palette und
Pinsel hinaus in Wald und Flur. Hier entstanden zum Teil
sehr großformatige Gemälde, die die besondere Atmosphäre
auf die Leinwand bannen, ohne jedoch auf romantische oder
heroische Überhöhung des 19. Jahrhunderts abzuzielen.
Alle Walddarstellungen scheinen wie von Luft und Licht
durchströmt. Man glaubt, das Rauschen des Blattwerks zu
hören, gewinnt den Eindruck, dass der Wind das Laub erzittern
lässt, dass das von obern eindringende Licht in der Bewegung
flirrt. Reflexe der Sonnenstrahlen funkeln auf Tau und Regentropfen –
Fauna und Flora leben.